Oberpleis. Die Erkenntnis, dass erschreckend viel Müll durch Verpackungen entsteht und viel zu viele Lebensmittel weggeworfen werden, sowie der Wunsch, Umwelt und Klima zu schützen, war 2020 für Barbara Grabitz die Haupttriebfeder zum Wunsch, einen Unverpackt-Laden in Oberpleis zu eröffnen. In der Dollendorfer Straße 46 können die Kunden regionale Lebensmittel - frische Produkte, Getreideerzeugnisse, Gewürze, Öle und mehr - genau in der benötigten Menge in mitgebrachte Behältnisse abgefüllt, nachhaltige Drogeriewaren und andere Nonfood-Produkte wie Glas-Strohhalme oder Eco-Brotboxen verpackungsfrei kaufen. Ein Angebot, das gerne angenommen wird. Demnächst will die Inhaberin in einem Teil des Verkaufsraums noch eine Kaffee-Ecke einrichten, die vor oder nach getätigtem Einkauf zum gemütlichen Austausch einlädt. „Diese Idee kam von einigen Kundinnen und ich bin immer dankbar für Anregungen“, so Grabitz. Um das Angebot weiter zu verbessern und bedarfsgerechter kalkulieren und einkaufen zu können, soll nun aus dem Laden „Tante Ännie“ eine Gemeinschaft „Ännie und August“ werden. Im Rahmen des Unternehmertreffens des Werbekreis Siebengebirge stellte Grabitz gemeinsam mit dem Unternehmensberater Attila Flöricke rund 50 Gästen das Konzept der neuen Gemeinschaft vor. Ähnlich wie in der Solidarischen Landwirtschaft zahlen die Kunden solidarisch inhabergeführter Läden vorab einen monatlichen Beitrag ihrer Wahl und kaufen aus diesem Guthaben im Laden ein. Ein nicht verbrauchtes Guthaben verfällt am Monatsende. Ist der eingezahlte Betrag schon vorher aufgebraucht, bezahlt man die weiteren Einkäufe direkt. Im Gegenzug können die Kunden Wünsche zum Sortiment äußern. Auf diese Weise wird der Umsatz kalkulierbarer, Bestellungen können besser geplant werden, Umsatzschwankungen werden verringert, faire Bezahlung und Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter ermöglicht.
Anders als in der Solidarischen Landwirtschaft trägt die Inhaberin Organisation und Risiko, aber die Gemeinschaft gibt ihr Sicherheit und unterstützt sie auch im täglichen Tun. Etwa wie Elke Schnell-Erdmann, die, wenn Not an der Frau ist, beim Verkauf einspringt, oder durch Mund-Propaganda. So könnte eine lebendige Gemeinschaft entstehen, die bedarfsgerecht über das Sortiment entscheidet, soziales Miteinander fördert und sich für ökologischen Konsum einsetzt. Regionale Produzenten werden gefördert und Klima- und Umweltschutz alltagstauglich gemacht, um „die Erde jeden Tag ein bisschen mehr zu schützen“. Barbara Grabitz, ihr Unternehmensberater und die übrigen Unternehmer sind jedenfalls zuversichtlich.
(Rheinische Anzeigenblätter, 28.08.2024)
Potsdam. Schon seit fast sechs Jahren stehen die Türen des Unverpacktladens „Fairverpackt“ den Kunden in Babelsberg offen. Damit das weiterhin so bleibt, soll ein neues Konzept, unter Einbezug der Kunden, den Laden nachhaltig vor einer Schließung bewahren. Inhaberin Käthe Skurcz wird das Konzept vorstellen. Hierfür lädt sie mit ihrem Team zu einem Informationsabend am 16. September um 19.30 Uhr in das Projekthaus Potsdam in der Rudolf-Breitscheid-Straße 164 ein.
Die Gründungsidee von „Fairverpackt“ war ambitioniert: „Uns hat interessiert, ob es möglich ist, plastikreduziert und mit fairen Bio-Produkten ein Geschäft zu führen. Eines mit alltäglichen Produkten – nicht fancy, kein Chichi“, sagt Skurcz. Vor allem grundlegende, aber auch ausgefallene Lebensmittel wie Fenchelöl oder Quinoa Tricolore sowie Kosmetik oder Geschenkartikel finden ihren Platz im Laden.
Doch um dieses Sortiment weiterhin so anbieten zu können, musste Käthe Skurcz sich eine existenzielle Frage stellen: „Wie weit kann mein Idealismus gehen und wann geht es an meine eigene Ausbeutung?“ Nach knapp fünfeinhalb Jahren ist sie „müde“ geworden, die Verantwortung für „Fairverpackt“ alleine zu tragen, sagt Skurcz. „Ich kann zwar meine Angestellten bezahlen, aber ich kann nicht davon leben.“ Sie hätte häufig mitbekommen, dass sich Menschen in ihrem Umfeld für den Klimaschutz einsetzen möchten. Aber sie wüssten nicht, wie sie damit anfangen sollen.
Mit dieser existenziellen Not ist sie nicht alleine. Auch bundesweit stehen immer häufiger Schließungen von Geschäften aus der ökologisch-nachhaltigen Branche im Raum. Laut Angaben des Branchenverbands Unverpackt e. V. haben bis Ende Oktober 2023 in ganz Deutschland 35 Unverpackt-Läden ihre Türen geschlossen.
So kam der Startschuss für die Idee zum neuen Konzept, dem die Inhaberin den Namen „Fairwandtschaft“ gegeben hat. Es zielt auf eine nachhaltige und bedarfsgerechte Wirtschaftsgemeinschaft ab. Die Kundinnen und Kunden zahlen einen monatlichen Beitrag im Voraus und kaufen aus diesem Guthaben im Laden ein.
Inspiriert ist die Idee von dem Konzept der Solidarischen Landwirtschaft: „Mehrere private Haushalte tragen die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebes, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten“ - so erklärt es das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V auf ihrer Website.
Für Käthe Skurcz ist der Ausblick dabei ein kalkulierbarer Umsatz, eine bessere Planung von Bestellungen und das zeitnahe Erreichen hoher Mindestbestellwerte, um weiterhin ökologisch-nachhaltige und fair gehandelte Produkte anzubieten.
Potsdamer können Teil einer Gemeinschaft werden, die einen Beitrag zum Klimaschutz leistet und den lokalen Handel unterstützt. Als Teil der „Fairwandschaft“ hat man „die Möglichkeit, den gesamten Monat über nach Herzenslust im Sortiment einzukaufen“, so die Inhaberin. Über die Bezahlung muss man sich erst wieder Gedanken machen, sobald das Guthaben aufgebraucht ist.
Bio und Fairtrade haben ihren Preis, aber der Laden bleibt auch geöffnet für Kunden und Kundinnen, die gelegentlich dort einkaufen wollen und kein Teil der „Fairwandschaft“ sein möchten oder können. In dem Laden gebe es aber auch schon immer eine politische Haltung und hier differenziert die Inhaberin: „Dieser Laden ist offen für alle, außer für Nazis“.
MAZ